Die AfD im neuen Bundestag (mit Kai Arzheimer)
Shownotes
Die AfD ist nach der BTW 2025 zweitstärkste Kraft im neuen Bundestag - fast 21 % aller gültig abgegebenen Stimmen, am Ende 152 Abgeordnete. Was dieses Ergebnis für die Parlamentsarbeit bedeutet, worauf sich progressive Akteure jetzt einstellen müssen und wie die AfD ihre neue parlamentarische Macht nutzen wird erklärt Politikwissenschaftler Prof. Dr. Kai Arzheimer der Uni Mainz.
Wir gehen in dieser Folge gemeinsam mit Prof. Dr. Kai Arzheimer auf das Wahlergebnis 2025 und den Erfolg der AfD ein, zeigen auf welche Möglichkeiten eigentlich mit so einem Wahlergebnis für die rechten Kräfte parlamentarisch und zivilgesellschaftlich gegeben werden. Wir schauen wie sich die AfD in Bezug auf die CDU positionieren wird, welche Möglichkeiten den Unionsparteien mit der AfD gegeben sind und klären, was ein genereller rechter(er) Bundestag für progressive Zivilgesellschaft bedeuten wird.
Zusatzinfo: Im Podcast spricht Kai Arzheimer von rund 21 % der Ausschussmitglieder, die die AfD besetzen darf. Er hat später nochmal korrigiert, dass es mehr sein werden - denn die Posten richten sich nicht nach gültig abgegebenen Stimmen, sondern nach prozentualer Verteilung der Sitze im Parlament. Da BSW, FDP sowie andere Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind erhöhen sich die Posten daher nochmal.
Webseite Kai Arzheimer
Bluesky: @kai-arzheimer.com
Kai Arzheimer bei der JGU Mainz
Ein Podcast der Heinrich Böll Stiftung Rheinland-Pfalz e.V. Homepage www.boell-rlp.de Instagram Facebook YouTube
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00:00:01: Buch Auf der rechten Spur. Der Podcast der Heinrich Böll Stiftung Rheinland-Pfalz zu rechter Politik und Strategie. Folge 18 die AFD im neuen Bundestag? Mit Kai Arzheimer.
00:00:19: Schröder Hallo Kai, schön, dass du heute Zeit gefunden hast.Wir starten. Wie immer. Wer bist du, was machst du und was bist du auf der Spur?
00:00:26: Arzheimer Mein Name ist Kai Arzheimer. Ich bin Politikwissenschaftler an der Universität Mainz in der Abteilung für politische Soziologie und deutsche Innenpolitik. Das ist ein ziemlicher Mundvoll. Ich bin hauptberuflich sozusagen Einstellungs- und Wahlforscher und beschäftige mich da vor allen Dingen mit rechten Parteien und deren Wählerinnen in Europa.
00:00:48: Schröder Viele Expertise zu verschiedensten Themen, über die wir in diesem Podcast sprechen könnten. Heute geht es auch vor allem um die letzte Bundestagswahl und deutsche Innenpolitik, genauer gesagt, wir sprechen über das Wahlergebnis der AfD und was das für den politischen Betrieb bedeutet. Relativ leichter Einstieg, 20,8% der abgegebenen Stimmen für die AfD, das ergibt 152 Sitze im Bundestag. Hast du mit dem Ergebnis gerechnet, hättest du gedacht, es fällt höher aus oder vielleicht sogar niedriger?
00:01:15: Arzheimer Also wirklich überrascht war ich nicht, man konnte das ja ganz gut in den Umfragen erkennen, im Grunde genommen seit Anfang November, also seit klar war, das die Ampel am Ende ist, hat sich das abgezeichnet, dass die AFD mindestens 18% bekommen würde, tendenziell mehr. Und die Umfragen waren diesmal, wie auch bei den letzten Wahlen, muss man sagen, wirklich sehr gut, also das wird von den Instituten nicht mehr unterschätzt. Ist aber auch nicht groß überschätzt worden. Also es war ziemlich genau im Rahmen dessen, was wir eigentlich alle erwartet hatten, ja.
00:01:50: Schröder Das heißt, du hast aber auch während dem Wahlkampf nicht erwartet, dass die am Ende doch recht großen Demos gegen Zusammenarbeit beziehungsweise kalkulierte Unterstützung durch die AFd Irgendwas am Ergebnis hätten ändern können?
00:02:02: Arzheimer Da würde ich gerne ein bisschen ausholen, wenn ich darf. Also wir hatten ja letztes Jahr eine ganz ähnliche Situation, wo die AFD auch über 20% war, als dann kam dieser Skandal hoch mit dem Treffen in Potsdam. Es gab die großen Gegendemonstrationen.Und die AFD hat so ungefähr 5 Prozentpunkte verloren. Über einen Zeitraum von 6 bis 8 Wochen.Und damals konnte man sich schon Fragen, lag das an den Demonstrationen oder lag es an anderen Umständen? Waren es vielleicht die Berichterstattung, was vielleicht auch einfach die Gründung des BSW? Aber man hatte schon den Eindruck, dass das einen Effekt haben könnte und das sollte eigentlich auch gestützt durch n bisschen Forschung, die es gibt. Ich glaub in Frankreich und Italien, wo man gesehen hat, in Gemeinden, wo es solche Demonstrationen gegen rechtsradikale Parteien gibt gewinnen, die zumindest weniger hinzu als in anderen Gemeinden. Das ist eigentlich so der Hauptbefund. Das würde bedeuten, es schadet, wenn es schadet, nicht in der ganzen Bundesrepublik, sondern tatsächlich dort, wo mobilisiert wird. Und das war natürlich diesmal vor allen Dingen in Uni-Städten. Auch hier in Mainz gab es ja entsprechende Demonstrationen. Da hätte ich jetzt nicht damit gerechnet, dass das die 4 oder 5 Prozentpunkte kosten würde. Aber vielleicht waren es tatsächlich auch ein bis zwei Prozentpunkte weniger, zumindest an einigen Orten, als es sonst gewesen wäre. Also das ist so eine kontrafaktische Sache. Wenn ich ganz kurz noch, was ergänzen darf, unabhängig davon, ob das jetzt das Wahlergebnis ändert oder nicht - solche Demonstrationen sind super wichtig, weil die natürlich ein Signal senden an andere Parteien, nämlich dass sehr viele Leute in der Gesellschaft nicht damit einverstanden sind, dass solche Politik gemacht wird oder dass man sich in so eine Partei annähert. Und von daher würde ich niemals sagen, das bringt überhaupt nichts, sondern würde im Gegenteil sagen, es ist ganz, ganz wichtig, dass wir hier diese Rückkopplungsschleife zwischen Gesellschaft und Politik haben und diese Möglichkeiten auch nutzen.
00:04:07: Schröder Auf die Chancen für und die Anforderungen an Parteien und Gesellschaft gegenüber der AFD kommen wir wie immer noch mal am Ende des Podcasts. Das ist ja ein wichtiger Punkt. Zunächst würde ich aber noch gerne beim Parlament bleiben. Du als Politikwissenschaftler erklär doch noch mal bitte kurz, was die AFD als zweitstärkste Kraft im Parlament jetzt tun darf, was sie bekommt und was sie vorher auch nicht konnte beziehungsweise durfte?
00:04:31: Arzheimer Also zunächst mal muss man sagen, in anderen Ländern gibt es ja das Amt des Oppositionsführers der Oppositionsführerin mit besonderer Bezahlung, besonderen Rechten. Das haben wir in Deutschland nicht, von daher könnte man sagen, auf der Ebene passiert da erst nämlich viel. Abgesehen davon, dass die AFD als stärkste Oppositionsfraktion jetzt immer zuerst auf den Bundeskanzler antworten darf. Aber das ist vielleicht nicht so wichtig, aber was ganz wichtig ist, ist dass die AFD mehr Redezeit bekommt, die Redezeit, die ist so ungefähr proportional zur Stärke der Fraktion, die kleineren Gruppierungen sind ein bisschen besser berücksichtigt, als es bei reiner Proportionalität wäre. Aber im Grunde genommen haben die ihren Anspruch auf die Redezeit jetzt fast verdoppelt. Die haben nun ihren Anspruch verdoppelt, auch auf auf Vorsitzende in Ausschüssen, auch die Ausschüsse selbst sind proportional besetzt zur Stärke im Parlament, das heißt, da sitzen jetzt auch in jedem Ausschuss 21% AFDler drin. Und was man überhaupt nicht unterschätzen, darf sind die Mittel, die den Fraktionen zur Verfügung gestellt werden, die orientieren sich auch zumindest so Größenordnungsmäßig an der Stärke der Fraktionen. Das bedeutet, dass die AFD jetzt sehr viel mehr Mitarbeiter, und da brauchen wir, glaube ich, kaum zu gendern, Mitarbeiter einstellen darf und öffentlich finanzieren kann, die zu großen Teilen dem Rechten des rechtsextremen Spektrum kommen bei der AFD.
00:05:59: Buch Auch wenn wir es schon einmal im Podcast angesprochen haben, hier noch einmal zur Info. Laut Recherchen des Bayerischen Rundfunks beschäftigten die Alte Af d Fraktion und ihre Abgeordneten 2024 schon über 100 Mitarbeitende, die in rechtsextrem eingestuften Organisationen aktiv sind oder waren.
00:06:18: Schröder Hier nochmal anknüpfend an die Frage der Personalie: Es hieß früher, die AFD hätte für so eine große Fraktion überhaupt nicht das geschulte und fähige Personal für den parlamentarischen Ablauf. Stimmt das heute noch oder hat sich da etwas geändert und ist für eine Partei wie AFD wichtig geschultes Personal zu haben?
00:06:36: Arzheimer Ja, also erstens muss man sagen, die AFD existiert ja seit 2013, ist seit 2014 in verschiedenen Parlamenten vertreten und natürlich gibt es auch in der AFD inzwischen Leute, die viel parlamentarische Erfahrung haben und so eine Oppositionsrolle jetzt auch sehr effizient und professionell ausfüllen können. Und auch, was die Mitarbeiten angeht, hatten wir ja gerade schon angesprochen, kommen die natürlich oft aus den Rechten des rechtsextremen Bereich. Aber auch da werden natürlich schon Leute angestellt, denen die AFD selbst zutraut, dass die das können, also dass die dieser Aufgabe auch erfüllen können. Der der zweite Teil deiner Frage, der ist interessant, also brauchen die das überhaupt? Wenn man auf die letzten Jahre im Bundestag schaut, sieht man, dass die AFD auf der einen Seite schon ganz normale parlamentarische Arbeit macht, Anfragen stellt, vor allen Dingen, das sind die sehr, sehr eifrig drin - aber auch Gesetzesentwürfe schreibt, all das, was man von so einer Partei erwarten kann, obwohl denen klar ist, dass normalerweise niemand zustimmt. Das machen die, wie es andere Oppositionsparteien auch tun, natürlich für die Öffentlichkeit , um in den Medien präsent zu sein, und um den Wählerinnen und Wählern auch zu zeigen, zu tun sozusagen was für euer Geld. Wir würden Eure Wünsche in Gesetze umsetzen, aber die anderen lassen uns ja nicht, die lassen es ja nicht mitspielen. Also diesen Teil füllt die AFD, bisher schon gut aus, es gibt einzelne Abgeordnete, das sind echte Ausfälle, in dieser Hinsicht, die kommen da nicht zur Sitzung, die sind nicht vorbereitet, aber das es in anderen Fraktionen auch, also da sehe ich gar nicht so einen riesigen Unterschied. Aber vielleicht das Wichtigste, was die AFD im Parlament macht, ist tatsächlich Show. Also das ist ja in der letzten Legislatur schon so gewesen, dass da mit einer unglaublichen Lautstärke auch die im Parlament präsent waren. Mit sehr vielen Zwischenrufen, mit Pöbeleien, alles, was man sich so vorstellen kann. Und das wird ja alles gefilmt und dann auf Social Media weiterverbreitet. Das können sie sozusagen auch in doppelter Lautstärke und doppelt so lange tun. Und von daher würde ich denken, sind die eigentlich ausgezeichnet aufgestellt, für das was sie im Parlament machen möchten.
00:08:49: Schröder Ich würde hier gerne an diese Analyse, dass die AFD vor einem Show für Social Media macht, anknüpfen. Was für eine parlamentarische Strategie erwartest du denn von der kommenden AF D Fraktion, auch unter Berücksichtigung, das ja nicht nur sehr rechte Mitarbeiterinnen gibt, sondern auch noch mal ein Haufen neuer Parlamentarier dabei ist, wie zum Beispiel Maximilian Kramer?
00:09:10: Arzheimer Also ich würde noch mal ein ganz klein bisschen vorher ansetzen, wenn ich darf. Es gab schon 2017, damals noch mit Frauke Petry, die ja dann sehr schnell aus der Partei in der Fraktion ausgeschieden ist. Die Idee, dass man sozusagen in normaler rechtsradikale Partei sein könnte, im europäischen Vergleich und dann auch irgendwann koalitionsfähig sein könnte für CDU/CSU/FDP. Diese Strategie ist, glaube ich, völlig tot. Der letzte, der das irgendwie vertreten hat, war Meuthen Leuten hat die Partei schon lange verlassen. Die wenigen sogenannten gemäßigten, die es noch gab, sind eigentlich auch alle gegangen.
00:09:47: uBuch Frauke Petry und Jörg Meuthen waren beide bereits seit Beginn der AF d ab 2013 Führungspersönlichkeiten innerhalb der Partei 2015 führten beide gemeinsam einen innerparteilichen Machtkampf gegen Parteigründer Bernd Lucke, den beide mit noch stärkeren nationalistischen und rechten Positionen für sich entschieden. Petri trat nach der Bundestagswahl 2017 aus der Partei aus, sie unterlag einem Machtkampf gegen Alice Weidel und Alexander Gauland. Meuthen verließ 2022 die Partei. Auch er unterlag damit einem jahrelangen Machtkampf in der Partei
00:10:23: Arzheimer Und so, dass die Linie der AFD momentan einfach Konfrontation ist. Und zwar Konfrontation. Nicht nur das den Stil angeht, sondern auch was die Inhalte angeht. Wir haben eigentlich seit 2017, aber mit jeder Legislaturperiode ein bisschen mehr Dominanz der Flügelgruppe in der Partei und auch in der Fraktion. Und wir haben jetzt einige Leute im Parlament, also Krah, den hast du ja gerade schon angesprochen war im Europaparlament aus der Fraktion ausgeschlossen, die AFD insgesamt aus der Gruppe ausgeschlossen unter weil er die Waffen SS verherrlicht hat im Wahlkampf. Wir haben Helfferich, das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus. Wir haben noch n paar andere Leute, die bekannte Rechtsextreme sind, die sind jetzt alle in der Fraktion aufgenommen worden, von daher würde ich sagen es ist noch n bisschen mehr von dem, was wir schon in der letzten und in der vorletzten Fraktion gesehen haben. Und dieser, dieser bürgerliche Anstrich, den sich manche geben, der wird eigentlich immer dünner, wenn man sich dann anschaut, mit wem die AFD tatsächlich im Parlament vertreten ist.
00:11:33: Schröder Dann bleiben wir hier noch mal bei der Strategie, weiten aber doch die Sicht auf die gesamte politische Landschaft. Die Afd hatte jahrelang die Strategie, den Hauptfeind linksgrün beziehungsweise parteipolitisch dezidiert grün auszumachen. Jetzt hat gerade zum Beispiel Krah gesagt, der neue Hauptfeind würde die CDU und das Ziel müsse sein, die CDU zu zersetzen oder auszuholen oder zu spalten. Welche Öffentlichkeitsarbeit wird die AFD dort deiner Meinung nach fahren?
00:12:01: Arzheimer Also ich glaube, das schließt sich nicht aus. Wenn wir uns die Wählerinnen und Wähler mal anschauen, dann sieht man in allen Umfragen Grüne-Wählende und AFD-Wählende dann sind das Antipoden Also im gesamten Parteiensystem sind das die 2 Gruppen, die am weitesten voneinander entfernt sind und von daher kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass die AFD jetzt aufhören würde, die Grünen zu verteufeln, einfach weil das mit den eigenen Anhängerinnen und Anhänger so wunderbar funktioniert -u nd weil die sich ja auch tatsächlich in fast allen inhaltlichen Punkten wirklich diametral gegenüberstehen. Das andere was du gerade angesprochen hast, das Krah sagte die Zerstörung oder die Aushöhlung der CDU, das ist glaube ich eher so eine strategische Überlegung. Wobei ich nicht weiß, wie ernsthaft die Betrieben wird in der AFD. Also es gibt ja schon lange, vor allen Dingen im Osten die Vorstellung, dass man sozusagen alleine über 50% kommen könnte, und natürlich kann man sich jetzt vorstellen, oder könnte man sich vorstellen, was die AFD bundesweit versucht, noch mehr Wählerinnen und Wähler von der CDU zu gewinnen, um auf diese Weise die CDU zu schwächen. Ob sie die CDU zerstören können oder spalten können, das haben die nicht in der Hand, sondern das hängt glaube ich sehr stark davon ab, wie die Unionsparteien in den nächsten voraussichtlich vier Jahren - vielleicht wird es auch weniger - mit der AFD und mit den Herausforderungen durch die AFD umgehen werden. Das ist überhaupt nicht ausgemacht.
00:13:35: Schröder Ich grätsche hier noch mal kurz rein, weil es super passt. Du hast mit Sicherheit die Antrittsrede von Klöckner als Bundestagspräsidentin gehört und den Satz, nicht jede Meinung, die ich selbst nicht teile, kommt dem Extremismus gleich mitbekommen, das gab ordentlichen Applaus von der AFD. Wenn du jetzt sagst, es liegt an der CDU sich nicht aushöhlen und spalten zu lassen, wie schätzt du dann so eine Aussage ein?
00:13:56: Arzheimer Auch hier würde ich gerne ein bisschen weiter ausholen. Diese Konkurrenz zwischen mitte- rechts Parteien, rechtsradikalen Parteien, die haben wir in ganz, ganz vielen Ländern. Und was wir eigentlich überall gesehen haben in der Vergangenheit, ist, dass - natürlich, muss man fast sagen – mitte-rechts Parteien denken „naja, wenn wir uns jetzt so n bisschen in diese Richtung bewegen, dann können wir vielleicht Leute zurückgewinnen.“ Friedrich Matz hat es ja an einer Stelle gesagt, in den vergangenen Jahren,“ wir wollen sowas sein wie die AFD mit Kompetenz oder die AFD mit Inhalten, wir machen im Prinzip deren Politik mit und gewinnen auf diese Weise diejenigen, die unzufrieden sind, weil die CDU unter Merkel zu liberal, zu links, zu mittig, was immer geworden ist, zurück“ Und das ist eine Strategie, die funktioniert nicht, das haben wir auch ganz oft gesehen, das führt einfach dazu, dass diese rechtsradikalen Parteien normalisiert werden, dass viel mehr über ihre Themen geredet wird, was denen nutzt. Und wir haben es in Italien gesehen: Da hat das Ganze früher angefangen, schon in den 90er Jahren. Man hat das jetzt auch in Frankreich gesehen, zuletzt in den Niederlanden, das kann im Extremfall wirklich dazu führen, dass mitte-rechts Parteien verschwinden und ihr Wählerpotenzial aufgesogen wird, auf der einen Seite sind radikaleren Parteien und auf der anderen Seite dann von tatsächlich mittigen oder sogar linken Parteien, die noch mal eine Alternative dazu bieten. Das kann die Union nicht wollen und das sagen viele Leute der Union. Und das hat Merz auch ähnlich an einer Stelle im Wahlkampf mal gesagt, dass das natürlich eine Sache ist, die er im Auge hat und die Union nicht wollen kann. Aber ich bin mir nicht sicher, wie diese Weitsicht und diese Überlegung sich tatsächlich durchsetzt, oder wie sehr man sich doch von dieser eher einfachen Logik leiten lässt und sagt „OK, wir wollen das rechte Feld wieder stärker mitbespielen in der Hoffnung da Terrain zurückgewinnen zu können. Fußnote noch dazu, bei aller Kritik, die man haben kann am Glöckner und an der Unionsführung haben kann, hat sie glaube ich schon recht, dass es nicht sinnvoll ist, immer nur zu polarisieren und immer nur zu dämonisieren und immer nur von den Wählenden der AFD abzugrenzen. Das ist glaube ich überhaupt nicht zielführend, sondern man muss, glaube ich, in dem Parlament auch wirklich offen diskutieren können. Es muss eine Breite an Position geben, aber man muss genauso auch klar markieren, was eben die Liberalen und verfassungsfeindlich ist. Und da sind die Maßsstäbe eigentlich relativ klar. Und diese Verwechslung, Verwechslungsgefahr, von der sie spricht, die sehe ich so nicht. Also ich glaub das war wirklich ne rhetorische Schleife, in der Russen am rechten Rand um das abholen zu können.
00:16:48: Schröder Von hier aus mal zum gesellschaftlichen rechten Rand. Und wenn ich hier jemanden habe, der in der politischen Soziologie arbeitet, lass ich mir folgende Gelegenheit als Frage nicht entgehen. Die AFD steht schon seit langem in einem sehr starken Austausch mit der bewegungsförmigen Rechten, darüber haben wir diesen Podcast auch schon häufiger besprochen, nun tauchen in der BRD immer wieder starke Extremrechte oder zumindest nach rechtsextremen offene Demonstrationen und Bewegungen auf. Wie wird sich das entwickeln und wo werden dort Synergien entwickelt, auf die sich diese Republik Einstellen muss?
00:17:18: Arzheimer Also ich glaube der Punkt den du ansprichst – Synergien - , das ist genau das, was wir sehen. Wir hatten über 20 Jahre lang hinweg immer so eine Diskussion im Hintergrund, wo man sagte, das sind wie kommunizierende Röhren, also wir haben eine relativ starke Bewegungsrechte in Deutschland, schon lange gehabt, vor allen Dingen in den neuen Bundesländern, aber nicht nur dort, und wir hatten auf der anderen Seite so politische Sekten wie die NPD oder die DVU, die sind dann fussioniert, aber man dachte, dass das sozusagen Energien absaugt. Man hat entweder den Wahlerfolg oder man hätte n Erfolg auf der Straße, aber das ist überhaupt nicht so. Sondern spätestens seit Corona, wahrscheinlich schon ein bisschen vorher, haben wir im Gegenteil Zusammenarbeit, wo sich die AFD auch in Teilen zumindest als parlamentarischer Arm dieser Bewegung versteht und aus der anderen Seite sehr viel Geld auch in diese Bewegungen hineinfließt, über die Rekrutierung von Mitarbeitern, das hatten wir ja vorhin schon angesprochen, als es um die Fraktion gin. Das bedeutet eben, dass viele Bewegungsfunktionäre oder Unternehmer jetzt ein zweites Standbein haben, also einen Brotberuf, der sie ernährt, und der ies ermöglicht, sich dann umso intensiver um die Mobilisierung aus der Straße zu kümmern, und man sieht das in einzelnen regionalen Schwerpunkten in Deutschland ja auch sehr deutlich wo es eben viele Doppelmitgliedschaften gibt bis hin zu den sächsischen Separatisten, wo wir jetzt gelernt haben, da waren zwei auch als Mitarbeiter.bei einem AFD Abgeordneten beschäftigt und die ganze Truppe, die TAZ hat darüber berichtet, die hat sich dann auch mit Höcke fotografieren lassen. Also hier gibt es ein ganz breites Feld, vor allen Dingen im ländlichen ostdeutschen Raum wo es gar nicht so leicht ist zu sagen, wo hört denn die Bewegung auf und fängt dann Partei an
00:19:11: Schröder Dann hier noch mal schnell vertiefend auf die regionalen Spezifika und nicht nur auf Ostdeutschland. Glaubst du daas, gerade jetzt in der inhaltlich ja doch zersplitterten Bewegungsrechtenm noch mal unterschiedliche Gruppen wieder nach vorne drängen, weil es den von hier angesprochenen parlamentarischen Rückenwind gibt? Für Südwestdeutschland zum Beispiel christliche Fundamentalist*innen.
00:19:40: Arzheimer Also ich glaube, das war leider schon gesehen haben, ist tatsächlich massiv Zunahme wirklich körperlicher Gewalt. von rechten Aktivisten, Wir hatten jetzt kurz vor der Bundestagswahl noch mal die Polizeiliche Kriminalstatistik bekommen wo wir gesehen haben, das ist jetzt das zweite oder dritte Jahr in Folge rasant angestiegen. Das hängt natürlich nicht nur mit der AFD zusammen, sondern das hängt auch damit zusammen, dass sich das gesellschaftliche Klima oder das, was da wahrgenommen wird, geändert hat, dass diese Themen jetzt stärker im Vordergrund stehen und dass auch mehr Leute das Gefühl haben, wir sind ja nicht diese kleine Minderheit, sondern da gibt es noch mehr, und manche von denen sitzen sogar im Parlament.
00:20:12: Buch Die Kriminalstatistik zählt 2024 fast 34000 rechte Straftaten, davon 1136 Gewaltdelikte. Im gesamten Jahr 2023 waren es knapp 29000, davon 1270 Gewaltdelikte. Wir haben rechte Angriffe und Gewalt bereits in den Folgen 4 und 14 unseres Podcasts vertiefend besprochen.
00:20:40: Arzheimer Also von daher würde ich sagen, an der Stelle haben wir schon einiges an zunahmen gesehen und ich fürchte, das wird auch noch weiter zunehmen. Dass du ansprichst, die christlichen Fundamentalisten, das finde ich ganz interessant, weil es da in Deutschland und generell in Europa ja schon Bestrebungen gibt, mit entsprechenden Gruppen in den USA zusammenzuarbeiten und da sozusagen Inhalte und Aktionsformen zu importieren, was zum Beispiel Blockade von Kliniken angeht, die Abtreibungen vornehmen, oder dass auch so bestimmte Denkfiguren angeht - Förderung der Geburtenrate was ein altes rechtsextremes Thema ist, was aber auch aus der christlich fundamentalistischen Ecke bespielt wird. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das wirklich eine große Resonanz finden wird, weil das Europa natürlich sehr viel stärker säkularisiert ist als die USA. Man sieht aber schon, dass es solche Gruppen gibt, die sich jetzt bei der AFD teilweise auch ganz gut aufgehoben fühlen, die vorher einfach nicht so eine politische Heimat hatten. Gerade so im freikirchlichen Bereich gibt es da schon Überschneidungen. Ich stelle mir nicht so als Massenbegegnung vor. Was ich fürchte, letzter Punkt vielleicht, was auch noch mal deutlich zunehmen dürfte, ist so, dass Misogynistische, die 'Manosphere' Ja, das ist ja auch noch so ein bisschen Randständig in Deutschland und Europa. Aber da haben wir ja mit Maximilian Krah den du vorhin angesprochen hast, jemand der da wirklich Brücken hin baut und den Jungs erklärt, wie es geht, damit es mit den Mädels läuft.
00:22:14: Buch Was Kai Alzheimer hier anspricht, ist ein viral gegangenes Tik tok Video von Maximilian Grah aus dem Europawahlkampf. Dort erklärt er, was in seinen Augen echte Männer seien und dass man als rechter Mann auch Freundinnen fände. Ob das Video wegen seines Inhalts oder anderer Effekte von Social Media Viral ging, ist nicht ganz klar.
00:22:39: Arzheimer Das ist etwas, was vermutlich auch noch ein bisschen mehr zugleich bekommen wird durch diese Präsenz von AFD Vertretern die wir jetzt im Bundestag haben, das kann ich mir schon vorstellen.
00:22:54: Schröder Wir kommen zum Ende und damit zu einem Punkt, den Du ganz am Anfang aufgemacht hast. Was rätst du Parteien im Umgang mit einer 20,8% starken AfD auch unter der Aussicht, dass wir spätestens 2029 nicht eine AfD als stärkste Kraft im Bundestag haben?
00:23:10: Arzheimer Also das ist so ein bisschen paradox, glaube ich, was ich denen raten würde. Auf der einen Seite muss man, glaube ich, wirklich sehr deutlich machen, da sitzen in Teilen Extremisten, da werden Sachen geäußert, die sind nicht auf dem Boden der Verfassung, und das muss man auch klar machen, und ich glaube, und das ist eine große Geschichte, über die wir jetzt glaub ich gar nicht reden wollen, man muss auch wirklich noch mal ernsthaft drüber nachdenken, warum man sich bisher nicht aus dem Verbotsverfahren eingelassen hat und ob das wirklich so ne kluge Idee war, das nicht zu tun. Aber da würde ich jetzt erstmal die Klammer drum machen. Also auf der einen Seite klarmachen, was das für eine Partei ist, warum man mit der nicht zusammenarbeiten kann. Nicht einfach, weil man die von der Macht fernhalten möchte, nicht einfach weil man die nicht leiden kann oder weil man die eigene Macht nicht teilen möchte, sondern weil das in größeren Teilen verfassungsfeindlich, wenn nicht sogar verfassungswidrig ist. Das ist das eine und das zweite ist, wir sind und da würde ich sagen, das betrifft nicht nur die Parteien, sondern auch die Medien, die Öffentlichkeit, uns beide, wie wir hier sitzen, wir sind alle in so einem Diskurszyklus drin, wo wir nur noch über die und die Rechten reden und wo wir das irgendwie schon als gegeben hinnehmen, dass die auch immer weiter wachsen müssen. Und das ist in Teilen auch eine selbsterfüllende Prophezeiung die davon ablenkt, dass demokratische Parteien natürlich eigene Politikentwürfe liefern müssen und sich mit ihren eigenen Themen beschäftigen müssen. Und das war vor allen Dingen für die Ampel ein großes Problem auch mal über ihre eigenen Erfolge sprechen dürfen und diese eigenen Erfolge auch wirklich in die breite Bevölkerung hinein kommunizieren dürfen. Und man hat ja inzwischen so eine Angst vor den AFD Wählenden und so eine Erwartung, dass die Bürger einem sowieso misstrauen und nicht ernst genommen wird mit dem was man macht, das man zu wenig macht in dieser Hinsicht um sich auch n bisschen abzukoppeln von diesem ganzen rechten Diskurs also. Das wäre wirklich mein zweite Empfehlung, auch wenn es ein bisschen Paradox ist vielleicht, dass man sich nicht zu sehr mit der AFD beschäftigt, sondern wieder anfängt, eigene Politik zu machen.
00:25:18: Schröder Auch wenn das ein super Schlusswort wäre, möchten wir in diesem Podcast und als Heinrich Böll Stiftung Rheinland-Pfalz natürlich noch einen kurzen Blick auf die Zivilgesellschaft werfen. Auf was wird sich Zivilgesellschaft einstellen müssen und welche Chancen und Aufgaben hat die progressive Zivilgesellschaft deiner Meinung nach mit diesem Bundestag?
00:25:41: Arzheimer A lso worauf man sich einstellen muss neben der Gewalt ist auch Druck aus der Politik. Das darf man, glaube ich, überhaupt nicht unterschätzen, das kann man momentan an der CDU/CSU sehen. Diese Anfrage die es da gab zur Finanzierung der Omas gegen rechts und bestreben, dass man momentan auch so ein bisschen in den Koalitionsverhandlungen sieht, die Demokratieförderprogramme ins Innenministerium zu verlagern, also das zu einer Frage der Sicherheitspolitik zu machen am Ende des Tages, da mehr politische Aufsicht, kann man fast sagen, über zivilgesellschaftliche Organisationen ausüben zu wollen - auch der Konflikt mit den Kirchen fand ich super interessant während des Wahlkampfes - das bedeutet, es wird schwieriger für zivilgesellschaftliche Organisationen so ganz breite Bündnisse zu bauen, auch im Westen. Im Osten ist das schon länger schwierig, aber im Westen zum Beispiel dann das vor einem guten Jahr noch in der Lage war, t ganz breit aufgestellte Demonstrationen zu organisieren, bei denen auch CDU und teilweise auch die CSU mit dabei waren da. Das Verhältnis ist gestört momentan und ich fürchte, es wird so schnell nicht besser werden, weil Teile der Zivilgesellschaft da jetzt als Gegner wahrgenommen werden von der Union. Das ist keine ganz neue Sache, die Älteren von uns erinnern sich in den 70er, 80er Jahren war das natürlich auch so. Aber in den Merkel Jahren war das n bisschen anders. Bis vor relativ kurzer Zeit war das noch anders, das ist das eine. Das Zweite ist, das natürlich auch je stärker die AFD in den Parlamenten vertreten ist, man damit rechnen muss, dass staatliche Institutionen genutzt werden, um gegen Zivilgesellschaft vorzugehen, auch wenn die AFD noch nicht in Regierungsverantwortung ist, also dass zum Beispiel Anfragen gestellt worden werden, bei uns ist heute was aufgeschlagen. Es kam interessanterweise gerade, nicht von der AFD, sondern von den Freien Wählern, da möchte jetzt jemand wissen ob an der Johannes Gutenberg Universität irgendwo Critical Race Theorie betrieben wird oder ob wir zu solchen Sachen forschen und das sieht man oft auch auf der kommunalen Ebene, dass hier einfach die parlamentarischen Instrumente, die es gibt, die Mitgliedschaft von Ausschüssen zum Beispiel genutzt wird, um so n bisschen mehr auch über zivilgesellschaftliche Akteure herauszufinden oder diese ein bisschen unter Druck zu setzen, also das wird nicht besser werden. Deshalb, was kann man positiv sagen, was kann man denen raten? Man muss sich auf den Druck einstellen, aber man kann darauf reagieren, indem man sich noch stärker vernetzt, indem man versucht, noch stärker an die Öffentlichkeit zu appellieren und auch hier wieder so ein bisschen Diskurs Hoheit möchte ich nicht sagen, aber eine bessere Position im Diskurs zurückzugewinnen, nicht zu glauben, dass sowieso gerade alles nach rechts rückt und überhaupt nichts tun kann, das ist glaube ich momentan die größte Gefahr, dass man im Kopf in den Sand steckt und denkt, das sei alles verloren. Es ist überhaupt nicht so. Es gibt nach wie vor diese Netzwerke, die wir jetzt auch gesehen haben, der Demonstration, die mobilisiert werden können. Es gibt nach wie vor eine Menge Leute in der Gesellschaft, die progressive Position haben und die sich auch freuen, wenn die von zivilgesellschaftlichen Organisationen wieder stärker nach vorne gebracht werden.
00:28:59: Schröder Ich bedanke mich bei Professor Doktor Kai Arzheimer für das wirklich sehr, sehr spannende Gespräch und wie immer danke ich allen Zuhörenden. In den Shownotes findet ihr Links zu der Arbeit von Kai Arzheimer.
00:29:14: Buch Das war auf der rechten Spur der Podcast der Heinrich Böll Stiftung Rheinland-Pfalz zu rechter Politik und Strategie Volk. Folge 17, die AFD im neuen Bundestag, mit Kai Arzheimer In der nächsten Folge sprechen wir mit Max Schnetker über Tech Milliardäre, den Transhumanismus und ihre politische Rolle in der Trump Administration. Redaktion hatte Tilman Schröder, Produktion Moritz Buch. Redaktionelle Verantwortung. Alrun Schleiff
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